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In der Stadt
Balkone, Sat-Schüsseln,
auf der Straße hastende Menschen,
Knöllchen verteilende Politessen
in zugeparkten Straßenzügen,
leer blickende Fenster,
der Regen fällt gnadenlos.
Die Miete frisst Einkommen,
die Döner-Buden sind voll,
die Theater geschlossen.
Der Anwohner-Ausweis
ist falsch ausgestellt,
die Strompreise sind gestiegen.
Die Kneipen sind voll
grauer Menschen,
drei Handy-Läden
auf einer Strecke von hundert Metern,
davor ein Bettler mit Kampfhund.
In den feinen Vierteln der Vorstadt
sieht man wenig.
Im Parlament sitzt ein Volksvertreter -
ahnungslos!
Bekenntnis einer „Pastorentochter“
Triefend rinnt mir aus der Nase
die Moral, die ich erlernt.
Ich muss alle Menschen lieben,
sonst ist ja mein Hirn entkernt.
Klugheit ist heut‘ eine Bürde,
fern ist mir die Wirklichkeit.
Heilig ist die Menschenwürde,
jetzt und hier in Ewigkeit.
Deutsch zu sein ist eine Schande,
ich empfinde mich global.
Mittlerweile, so am Rande,
steigt der Toten raue Zahl.
Hier zu Gast ist die Machete,
setzt mit Grauen ein Fanal.
Wenn ich aber gläubig bete,
endet sicher meine Qual.
Ach, ich muss mich generieren
als der Menschheit größter Freund.
Und ich will mich nicht genieren,
auch zu lieben meinen Feind.
Morgen stehen wir als Brüder
einig in der ganzen Welt.
Nur mein Leben ist hinüber,
jemand hat es abbestellt.
Ja, ich war wohl ein Rassist,
dumm in Fremdenfeindlichkeit.
Ich werd‘ sicher nicht vermisst,
denn die Welt ist so gescheit.
Das Christentum
Das Christentum, o heil’ge Nacht,
hat uns das Seelenheil gebracht.
Wir morden nur noch ab und an
in Mali und Afghanistan.
Die Kinder-Gottes-Herrenrasse
ist fromm und gütig in der Masse.
Zu Nikolaus und im Advent
grüßt man den Nachbarn, den man kennt.
Wir gehen christlich auch zur Wahl,
weil dort gepachtet ist Moral.
Und täglich wird sie uns gelehrt,
ob man nun glaubt oder sich wehrt.
Ja, uns gehört der wahre Glaube,
aufs Kirchendach scheißt eine Taube.
Wenn das mal nur kein Zeichen ist,
vielleicht ist Gott ja Atheist?
Der Himmel
Lest, ihr Leute, ach, ihr Lieben,
der Himmel wird hier neu beschrieben.
Beim Sitz der Götter und der Engel
schlich ich mich ein - als böser Bengel.
Erstaunt, verwirrt, ich sah ihn nicht,
es gab kein Dunkel und kein Licht.
Die Götter blieben mir verborgen,
die Engel schienen längst gestorben.
Es gab kein Kino, kein Theater,
wohl unterwegs war auch Gott-Vater.
Vermisst hab‘ ich ein Restaurant,
ich hatte Hunger, mir wurd’ bang.
Ich traf nicht einen Kardinal,
erlöst von seiner Seelenqual,
und selbst die seligen Propheten
schienen woanders g’rad‘ zu beten.
Die Jungfrauen, in großer Zahl,
sie tanzten wohl im nächsten Saal.
Ich habe keine dort getroffen,
vielleicht hilft glauben nicht und hoffen.
Die Damen, waren sie frustriert,
von ihrem Status irritiert?
Wer mag schon Märtyrer gern‘ lieben,
die sich gesprengt in Stücke, sieben?
Kein heller Strand, kein Meeresblau,
kein Grün in einer sanften Au,
kein Berg von Sonne ward beschienen,
wozu sollt‘ dieser Himmel dienen?
Der Himmel ist kein Paradies,
selbst Religionen lehren dies.
In Zukunft bleibe ich auf Erden
und sollten Würmer aus mir werden.
Der Neujahrsempfang
Das neue Jahr kommt über Nacht
und neu beginnt der Kampf um Macht.
Die Toten sind bereits vergessen,
es gibt Empfänge, gutes Essen.
Zu Neujahr kommen im Ornat
der Bischof und der Diplomat.
Vom Feinsten ist heut hier der Hummer
und weit entfernt der Menschen Kummer.
Mit Zuversicht sieht man die Welt,
was wenige nur etwas quält,
so mühevoll ward sich gebückt,
Karriere – ist sie nun geglückt?
Elite ist recht angenehm,
das Leben ist durchaus bequem.
Der Stresemann hat guten Sitz,
die Eminenz macht einen Witz.
Gefüllt mit Glanz ist jetzt der Saal,
die Exzellenz spricht von Moral.
Das Gute soll im Menschen siegen
mit Toleranz und nach Belieben.
Und draußen auf der S-Bahn-Bank,
da liegt ein Penner und ist krank.
Er ist halt angezündet worden,
es setzt sich fort – das große Morden.
Der Bürger denkt ein wenig bang,
wer ist gesund und wer ist krank,
denn unter den Eliten,
sind sicher ein paar Nieten.